Hummeln lernen

Heute ist unübersehbar der Frühling eingekehrt, zumindest in Berlin. Der Botanische Garten reizt mit verschiedenfarbigen Krokussen, und die ersten Nektar- und Pollensammler sind bereits unterwegs, um die reizenden Futterstellen abzusuchen. Der Sympathieträger unter ihnen ist gewiss die Hummel, die durch ihren tiefen Brummton und flauschiges Aussehen an einen griesgrämigen, da ständig beschäftigten, aber durchaus wohlgesinnten kleinen Teddy erinnert. Zusätzlicher Sympathiepunkt, der mich als Kind unzählige Hummeln mit der Hand fangen ließ, ist, dass HummelmänncheP1000307n keinen Stachel besitzen und gutmütig auf ihre Freilassung warten. Manche haben zur Belohnung verdünnte Herrenkonfitüre bekommen, die in einer unvalidierten Studie als favorisierte Geschmacksrichtung identifiziert wurde. Damals lernte ich schnell, Hummelmännchen von Hummelarbeiterinnen zu unterscheiden, die etwas kleiner und schlanker sind, und durchaus einen einsatzfähigen Stachel besitzen. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass diese nicht in den Genuss von Herrenmarmelade gekommen waren.

Ob es weitere Unterschiede, vor allem im Verhalten von Männchen und Arbeiterinnen gab, untersuchten vor kurzem Stephan Wolf und Lars Chittka an der Queen Mary Universität in London. Hummelarbeiterinnen erfüllen, ähnlich den Bienenarbeiterinnen, hauptsächlich die Routinearbeiten: Sie bauen und verteidigen das Nest, pflegen die Brut und sammeln Nektar und Pollen. Hummelmännchen (die Drohnen) hingegen fliegen raus und patrouillieren auf der Suche nach einer Königin. Fliegen sie dabei Blüten an, so nur um den eigenen Hunger zu stillen.

Die Wissenschaftler interessierten sich dafür, ob die spezialisierten Arbeiterinnen schneller lernen, welche Blüten gerade ertragreich sind, als ihre männlichen Artgenossen, deren vorrangiges Ziel beim Flug die Fortpflanzung ist. Dafür wurde eine Blütenwiese mit verschiedenfarbigen Plastikplättchen imitiert. Plättchen einer bestimmten Farbe bekamen einen Tropfen Zuckerlösung, während auf andere nur ein Wassertropfen platziert wurde. Nach 50 „Blütenbesuchen“ änderten die Forscher die Spielregeln und Plättchen einer anderen Farbe erhielten die Zuckerlösung. Dann zählten sie aus, wie oft die Drohnen bzw. Arbeiterinnen auf Plättchen mit oder ohne Zuckerlösung landeten. Stellten sie die Belohnung auf eine andere Farbe um, flogen die Hummeln zunächst die in der Vorrunde erlernte Farbe an. Da diese jedoch diesmal nur Wasser enthielt, probierten die Tiere Tropfen auf andersfarbigen Plättchen, bis sie die Zuckerlösung fanden. So konnten sie sukzessive lernen, das Futter mit einer neuen Farbe zu assoziieren. Über die Häufigkeit, wie oft sie die alte bzw. eine „falsche“ Farbe anflogen, ermittelten die Forscher die Geschwindigkeit, mit der die Tiere die neue Farbassoziation verinnerlicht hatten.

Das Ergebnis der Studie: Sowohl die spezialisierten Arbeiterinnen als auch die auf Brautschau ausgerichteten Männchen lernten gleich schnell. Das ist auch verständlich, da es für beide essenziell ist, die energieaufwendige Nahrungssuche so effizient wie möglich zu gestalten. Die Arbeiterinnen müssen schnell ihre Brut versorgen, während die Männchen sich auf ihren bis zu 17 km langen Patrouillen nicht zu viel Zeit für Futtersuche gönnen können, um die Gelegenheit einer Paarung nicht zu verpassen. Als wichtig für beide stellte sich der Farbwechsel heraus. War das neue Plättchen von einer Farbe, die den Insekten ähnlich vorkam (so sind grün und gelb in Hummelaugen kaum unterscheidbar, während blau und lila sehr verschieden sind), flogen sie die neue Farbe zwar sehr schnell auf ihrer Suche an, besuchten aber auch die vorherige Farbe noch sehr oft. Somit stellten sie sich nur sehr langsam auf die neue Farbe um. Mussten sie sich auf ihrer Futtersuche jedoch auf eine komplett andere Farbe umstellen (von lila auf grün oder blau auf gelb), brauchten sie sehr lange, um die neue Futterquelle zu finden, lernten dafür aber umso schneller und flogen nur noch selten die vorherige Farbe an. Dieses Verhalten ist auch vorteilhaft für die Pflanzen, denn so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Hummel (oder andere Bestäuber, die ein ähnliches Verhalten zeigen) den mitgenommenen Pollen zur selben Art derselben Blütenfarbe weiterträgt.

Dieses Jahr werde ich die Studie zum Anlass nehmen, meinen Balkon mit Pflanzen ähnlicher Blütenfarbe zu bepflanzen, statt wie sonst eine bunte Blütenwiese zusammenzustellen, um an heißen Sommertagen den geschäftig brummenden Insekten eine längere Futterpause zu ermöglichen. Vielleicht sollte ich mir auch wieder Herrenkonfitüre besorgen.

Quellen:
Wolf, S., & Chittka, L. (2016). Male bumblebees, Bombus terrestris, perform equally well as workers in a serial colour-learning task. Animal Behaviour, 111, 147–155. http://doi.org/10.1016/j.anbehav.2015.10.009

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