Ein Haus ist kein Zuhause, solange kein Hund darin wohnt (Gerald Durrell)

CC Elena Jolkver. Alle Rechte beim Autor.

Wer nicht das Glück hat, in einem Haus zu wohnen, wo Hunde einfach auftauchen, wird möglicherweise irgendwann vor der Entscheidung stehen, sich einen anzuschaffen. Flugs werden Bücher gewälzt und Webseiten gescrollt – soll er/sie klein oder groß sein, wuschig oder glatt, kinderlieb, gehorsam, verspielt, intelligent… Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Dabei landet man schnell bei irgendwelchen Rankingseiten: “Die 10 intelligentesten Hunderassen”, oder so ähnlich. Selten sind sie deckungsgleich, nicht nur, was die Rangfolge der Rassen angeht, sondern auch die aufgezählten. 

Forscher aus den USA räumen nun mit diesen Vorurteilen auf.

In einer groß angelegten Studie haben sie 18.385 Hundehalter interviewt und 2.155 Hundegenome sequenziert (Ja, inzwischen ist die Sequenzierung eines ganzen Genoms kein Problem, der gegenwärtige Rekord liegt bei 5 Stunden 2 Minuten pro Genom bzw. pro Person/Hund). Das Ergebnis ist durchaus überraschend und könnte die Debatte um aggressive Pitbulls und kinderliebe Retriever beenden bzw. Die Kampfhunddebatte einheizen.

Die Antworten aus dem Fragebogen wurden in acht Kategorien eingeteilt: 1) Verträglichkeit mit Menschen, 2) Erregbarkeit, 3) Verspieltheit, 4) Gehorsam, 5) Verträglichkeit mit Hunden, 6) Neugierde, 7) Bedürfnis nach Nähe, 8) Aggressivität. Jeder Hund wurde von seinem Besitzer mittels Fragebogen nach diesen Kriterien bewertet, wobei die Bewertung jeder Kategorie durch mehrere Fragen erfolgte. Gleichzeitig wurde untersucht, ob die beispielsweise gehorsamen Hunde bestimmte Gene bzw. Genausprägungen haben, die ungehorsame Hunde nicht haben. Schließlich wurde untersucht, ob diese “Gehorsamkeitsgene” in Hunden bestimmter Rassen häufiger auftreten, als in anderen. 

Mittels dieser Analyse kommen die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass sich nur ein Bruchteil des Variabilität der Hunde bezüglich einer Charaktereigenschaft (9%) auf die Rasse zurückführen lässt und dass gerade Aggressivität besonders schlecht mit Rasse korreliert. 

Übersetzt lässt sich das folgendermaßen erklären: angenommen, wir vergeben jedem Hund Punkte für z.B. Gehorsam auf einer Skala von 1 (sehr gehorsam) bis 10 (sehr eigensinnig). Angenommen, der Wert für Gehorsam, über alle Hunde der Studie betrachtet, beträgt 5 ± 5, d.h. es gibt Hunde von Gehorsam “1” bis “10”. Gruppiert man nun die Hunde nach Rasse und betrachtet die Streuung pro Rasse, wird sie in einer Rasse 1-9 betragen, in einer anderen 2-10, d.h. 9% der Variabilität innerhalb aller Hunde lässt sich durch die Rasse erklären. 

Was bedeutet es nun für jemanden, der einen gehorsamen Hund kaufen möchte und vor der Wahl zwischen Dackel und Schäferhund steht? Ein zufällig ausgewählter Dackel kann auf der Gehorsamkeitsskala “3” punkten (“relativ gehorsam”), während der Schäferhund bei “7” (“relativ eigensinnig”) landet. Folglich hilft die Rasse kaum, Vorhersagen über den Hundecharakter zu machen. 

Wie passt es nun zusammen, dass gewisse Charaktereigenschaften vererbbar sind, aber nicht mit der Rasse einhergehen? Im Gegensatz zum Charakter fanden die Forscher einen starken Zusammenhang zwischen Rasse und Aussehen (Größe, Ohrenform etc.). Dies ist keine überraschende Erkenntnis, zeigt aber, dass die benutzte Methode (dementsprechend auch für Charakter) valide war. Die Schlussfolgerung ist folglich, dass die modernen Hunderassen hauptsächlich nach ihrem Aussehen gezüchtet wurden, während der Charakter zweitrangig war.

Sicherlich kennt jeder solch ein “überraschendes” Beispiel: einen kinderlieben Dobermann, eigensinnigen Pudel oder aggressiven Chihuahua. Die Studie bestätigt nun, was man ohnehin schon ahnte: es gibt so viele Ausnahmen von der Regel, dass es eigentlich keine Regel gibt. 

Quelle: Morrill, K., Hekman, J., Li, X., McClure, J., Logan, B., Goodman, L., Gao, M., Dong, Y., Alonso, M., Carmichael, E. and Snyder-Mackler, N., 2022. Ancestry-inclusive dog genomics challenges popular breed stereotypes. Science, 376(6592), DOI: 10.1126/science.abk0639

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