Die Waffen der Krabben

Nicht immer helfen Schwerter und Kanonen gegen einen Feind, erst recht nicht, wenn er die Brunnen einer belagerten Stadt vergiftet. Gegen die Pest oder die Amöbenruhr ist selbst der stärkste Krieger machtlos, stünden ihm nicht die Heiler mit der Armada der Antibiotika zur Seite. Ebenso verhält es sich bei den Tieren, in diesem Fall, den Krabben. Eine chinesische Forschergruppe in Xiamen hat vor Kurzem ein neues Antibiotikum charakterisiert, das die Schlammkrabbe Scylla paramamosain zur Verteidigung gegen Mikroorganismen selbst herstellt. Das neue Agens heißt SpHyastatin, im Gegensatz zu „einfach“ Hyastatin, das in der Spinnenkrabbe (Hyas araneus) gefunden worden ist, einen breiteren, von den Forschern aufgeklärten Wirkmechanismus besitzt.

Das Antibiotikum zeigte sich in Tests wirksam gegen eine breite Palette an Bakterien (sowohl solchen mit einer einfachen als auch mit einer doppelten äußeren Hüllmembran, sog. Gram-positiven bzw. Gram-negativen Bakterien) und Hefen. Interessanterweise wirkte es nicht nur gegen aquatische Mikroorganismen wie Aeromonas hydrophila und Pseudomonas fluorescens, sondern auch gegen den humanpathogenen Staphylococcus aureus. In der Anwendung machte es die äußere Membran der Bakterien durchlässiger, was für den Stoffwechsel selbst solch einfacher Organismen verheerend ist. Außerdem bewirkte das Antibiotikum, dass die Bakterienaußenhüllen rauer zu sein schienen und die Zellen verklumpten.

Wirkung von SpHyastatin auf die Membranmorphologie verschiedener Bakterien (Shan et al., 2016). Rechts die mit SpHyastatin behandelten verklumpten Bakterienzellen, links die unbehandelte Kontrolle

Eine spannende Frage werfen bei dem Antibiotikum seine beiden Wirkdomänen auf, die so in der Art bisher einzigartig sind. Wirkdomäne 1, die einen hohen Anteil an der Aminosäure Prolin besitzt, bindet an die Lipopolysaccharide der Bakterienmembran als auch an das Chitin der Pilzzellwand, wohingegen die Cysteinreiche Wirkdomäne 2 zwar sowohl in dem „einfachen“ Hyastatin der Spinnenkrabbe als auch in dem Penaeidin von Garnelen (ebenfalls ein Antibiotikum) vorkommt, in der Wirkung aber noch rätselhaft bleibt. Fest steht nur, dass die Schlammkrabbe beide Domänen ihres SpHyastatins braucht, um gegen viele Mikroorganismen wirken zu können. Fehlt eine der beiden Domänen, wird nur ein kleinerer Kreis offenbar besonders empfindlicher Mikroorganismen getötet.

Darüber hinaus wirkt das SpHyastatin nicht nur antimikrobiell, sondern aktiviert auch das Immunsystem der Krabbe, worauf diese weniger empfindlich gegen den Befall der sonst tödlich verlaufenden Infektion mit Vibrio parahaemolyticus war. Dies erklärt auch die Motivation der vorliegenden Arbeit. Scylla Krabben gewinnen rasend an kommerzieller Bedeutung, seitdem sie in Aquakultur gezüchtet werden, anstatt auf ihr natürliches Habitat – die Mangroven – angewiesen zu sein. So sprang die Produktion der Scylla Krabben in den letzten 15 Jahren von 14 auf 180 Tausend Tonnen. Ein Heilmittel, das dazu noch aus demselben Organismus stammt, wäre demzufolge ein willkommenes Medikament, das den Bedarf an „Fremdantibiotika“ reduzieren könnte.

Quelle: Shan Z, Zhu K, Peng H, Chen B, Liu J, Chen F, Ma X, Wang S, Qiao K and Wang K (2016) The New Antimicrobial Peptide SpHyastatin from the Mud Crab Scylla paramamosain with Multiple Antimicrobial Mechanisms and High Effect on Bacterial Infection. Front. Microbiol. 7:1140. doi: 10.3389/fmicb.2016.01140

Statistiken zu Fischerei: hier

Beitragsbild: Schlammkrabbe Scylla paramamosain von  小工友 @ flickr CC BY-NC-ND 2.0

 

 

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