An einem verregneten Tag kann sich derjenige glücklich schätzen, der entweder nicht aus dem Haus muss oder an einen Regenschirm gedacht hat. Der menschliche Ingenieurgeist hatte diesen bereits im 6 Jahrhundert v. Chr. ersonnen, doch dass man auch früher irgendwelche großen Blätter zum Schutz benutzt hat, würde ich nicht bezweifeln. Ganz anders sieht es dabei im Tierreich aus, wo die häufigste Taktik das Verharren in irgendeinem Unterschlupf darstellt. Doch was, wenn ein Regenguss nicht nur unangenehm, sondern existenzbedrohend wird? Noch dazu, nicht nur für das einzelne Individuum, sondern für die gesamte Kolonie? Bakterien haben es in der Hinsicht nicht leicht. Haben sie erst ein schönes Plätzchen auf einem Blatt oder in einem Rohr kolonisiert, droht sie das Wasser einfach fortzuspülen. Für diesen Fall hat sich Bacillus subtilis, ein im allgemeinen ungefährliches Bakterium, etwas ganz besonderes ausgedacht. Für gewöhnlich kommt diese Bakterienart im Boden vor, wo es seine Nährstoffe von den Pflanzen bezieht, die es wiederum gegen Krankheitserreger immunisiert. Die Wohngemeinschaft erweist sich im Allgemeinen als positiv für beide Seiten und so unternimmt B. subtilis alles Mögliche, um gegen Konkurrenten zu bestehen oder um ungünstigen Witterungsverhältnissen stand zu halten.
Eine Strategie beruht dabei auf Koloniebildung, denn Milliarden von Bakterien lassen sich durch fremde Eindringlinge nicht so leicht verdrängen. Diese Kolonien umgeben sich mit einem Biofilm, innerhalb dessen Schutzwall sie ihre eigene Stadt aufbauen. Diese Eigenschaft ist vielen Bakterien zuteil und für gewöhnlich besteht solch ein Biofilm aus Zuckerpolymeren, ähnlich der Stärke oder der Zellulose. B. subtilis ist dahingehend spannend, als dass er neben den Zuckermolekülen ein bestimmtes Protein (BslA – Biofilm Surface Layer protein A) sekretiert. Das BslA Protein, das aufgrund seiner wasserabweisenden Qualität von dem wasserhaltigen Biofilm-Zuckerpolymer nach außen verdrängt wird, lagert sich auf der Biofilmoberfläche mit anderen BslA Proteinmolekülen zu einen stabilen elastischen Film zusammen. Diese BslA-Schicht ist so wasserabweisend, dass ein darauf platzierter Wassertropfen (im Bild die rote Kugel) es nicht schafft, die Bakterienkolonie zu benetzen.

Die Synthese des Proteins BslA hängt dabei nicht nur von der Größe der Kolonie ab – denn der Schutzwall lohnt sich erst, wenn die Einwohnerzahl der Bakterienstadt groß genug ist – sondern auch von den Umweltbedingungen. Spüren die Bakterien z.B. die Einwirkung von Wasser, Bioziden oder Lösungsmitteln, die ihre Kolonie bedrohen, sekretieren sie verstärkt das Schutzprotein, um dem negativen Einfluss stand zu halten. Zusätzlich hat man herausgefunden, dass B. subtilis Kolonien nur dann überdauernde Sporen bilden können, wenn ihr Biofilm auch dieses Schutzprotein BslA enthält. Fehlt das Protein, können sich die Bakterien zwar teilen und die Kolonie kann wachsen, ist aber dem nächsten negativen Umwelteinfluss, dem Biozid oder von Konkurrenten ausgeschiedenem Antibiotikum schutzlos ausgeliefert.
Seitdem man die Struktur und Wirkweise von BslA kennt, entdeckt man ähnliche Proteine auch in den Biofilmen anderer Bakterien. So geschehen auch in Vibrio cholerae, dem Choleraerreger, der dank eines ähnlich wasserabweisenden Proteins sich auf der Wasseroberfläche schwimmend fortbewegen vermag.
Aus praktischer Sicht ist die Entdeckung für verschiedene Anwendungen interessant. Zum Einen eröffnet es neue Denkanstöße bei der Bekämpfung von Biofilmen, sei es in schmalen Rohren, wo sie den Durchfluss verstopfen, oder in der Medizin, wo man den Bakterien durch die dicke Zuckerschicht mit Antibiotika kaum etwas anhaben kann. Andererseits könnten wir von dem Funktionieren solcher Proteine viel lernen, z.B. für Formulierungen, wenn mehrere unterschiedliche Phasen zu Einer verbunden werden müssen, wie beispielsweise dem Speiseeis. Und wer weiß, vielleicht gibt es demnächst abbaubare Regenmäntel und -schirme, die man zuletzt kompostieren könnte? Dem Ingenieurgedanken sind beim Kopieren von natürlichen Strukturen keine Grenzen gesetzt.
Quelle: Sofia Arnaouteli, Cait E MacPhee, Nicola R Stanley-Wall, Just in case it rains: building a hydrophobic biofilm the Bacillus subtilis way, Current Opinion in Microbiology, Vol. 34, Dec. 2016, pp. 7-12 doi:10.1016/j.mib.2016.07.012





